Predigt zum Sonntag Exaudi

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 Predigt zum Sonntag Exaudi 2020 von Pfarrer Christian Noeske

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Predigt zum Sonntag Exaudi 24. Mai 2020 (Pfarrer Christian Noeske)

„Früher war alles besser…“ ist eine gängige Redewendung.

„Früher war alles besser“ haben manche Menschen im Osten Deutschlands nach der Wende gesagt. Später wurde dafür der Begriff „Ostalgie“ geprägt. „Ostalgie“ ist eine besondere Form der „Nostalgie“. Nostalgie meint einen verträumten Blick in eine vermeintlich schönere Vergangenheit , wobei oft die negativen Aspekte vergessen und die positiven übermäßig groß in den Vordergrund treten.

„Früher war alles besser…“
Ich finde es bisweilen schwierig, auf diese Einlassung zu reagieren. Meistens frage ich zurück: Was war dann Ihres Erachtens besser…

und dann kommen Punkte wie: Es war nicht alles so gehetzt
wir wurden besser versorgt
wir wurden besser informiert
wir wurden mehr wertgeschätzt.

Eine ganz andere Einstellung, eine andere Perspektive kommt im Predigttext für den heutigen Sonntag zum Tragen, wenn wir da auf den Propheten Jeremia hören, der im Auftrag und im Namen Gottes spricht und sagt:

31 Siehe, Tage kommen - Spruch des HERRN -, da schließe ich mit dem Haus Israel und dem Haus Juda einen neuen Bund.
32 Er ist nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe an dem Tag, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen. Diesen meinen Bund haben sie gebrochen, obwohl ich ihr Gesetzgeber war - Spruch des HERRN.
33 Sondern so wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe - Spruch des HERRN: Ich habe meine Weisung in ihre Mitte gegeben und werde sie auf ihr Herz schreiben. Ich werde ihnen Gott sein und sie werden mir Volk sein.
34 Keiner wird mehr den andern belehren, man wird nicht zueinander sagen: Erkennt den HERRN!, denn sie alle, vom Kleinsten bis zum Größten, werden mich erkennen - Spruch des HERRN. Denn ich vergebe ihre Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr.

Der Grundton des Jeremia könnte auch ein nostalgischer Rückblick sein:
Früher, da war alles besser - vor der Besatzungszeit.

Aber der Prophet hat eine ganz andere Perspektive, die den Menschen Mut machen soll:

Der Prophet spricht in Gottes Namen und in seinem Auftrag aus:

„Bald! Wenn Gott eingreifen wird, dann wird alles besser!“

Die Worte des Jeremia sind Worte hineingesprochen in eine Situation der Krise.
Israel war besetzt durch eine fremde Macht – selbstbestimmtes Leben war nur noch sehr eingeschränkt möglich.
Darum ist es nur zu verständlich, dass bei vielen Zeitgenossen Jeremias eine große Sehnsucht vorhanden war:

Eine Sehnsucht nach dem Ende der Krise, nach der Befreiung von den Einschränkungen
nach einem „Leben ohne Gängelung“, nach einem Leben das geprägt ist von Selbstbestimmung und nicht von Fremdbestimmung.

Nur zu verständlich wäre da der nostalgische Blick zurück auf die bessere Vergangenheit.

Der Prophet lenkt die Aufmerksamkeit seiner Hörer nach vorne
zur Zukunft hin:

Die Krise wird bald zu Ende sein!
Habt Mut – verzweifelt nicht!

Aber „Halt“ – eigentlich ist das ja gar nicht die Botschaft des Jeremia.

Er sagt ja nicht: Die Besetzung wird ein Ende haben
Er sagt nicht: Die Einschränkungen durch die fremde Macht werden ein Ende haben.

Er sagt etwas anderes: Gott wird auf eine andere Weise euch nahe sein…

Auch wenn ihr das Gefühl hattet: Gott hat sich abgewandt von euch.

Das Gegenteil ist richtig!
Gott ist und bleibt an eurer Seite und will sich neu mit euch verbünden.

Es gilt aber auch in den „normalen“, ganz gewöhnlichen Zeiten des Lebens:
Es gilt aber auch in Momenten gesellschaftlicher und persönlicher Krisen
vielleicht hier besonders.

Dieses Angebot und die Zusage: Gott an unserer Seite:
Gott helfend
tragend
begleitend.

Ich finde das sehr tröstend,
sehr Mut machend:

Zu hören, dass Gott sich mit uns verbündet
an unserer Seite ist
mit uns geht auf unserem Weg
uns nicht verlässt.

uns hält – wenn wir ins Wanken geraten
uns trägt, wenn unsere Füße uns nicht mehr tragen

Was braucht es von unserer Seite, dass das geschehen kann?
Welche Haltung ist nötig, um Gottes Hilfe zu empfangen?

Es ist eigentlich nicht viel - und doch:

Mir kam ein Lied in den Sinn… und ich dachte, ich lese es Ihnen einmal vor.

(Lied aus dem Liederbuch Wo wir dich loben wachsen neue Lieder NL 90 )

Wir strecken uns nach Dir, in Dir wohnt die Lebendigkeit. Wir trauen uns zu Dir, in Dir wohnt die Barmherzigkeit.

Wir öffnen uns vor Dir, in Dir wohnt die Wahrhaftigkeit. Wir freuen uns an Dir, in Dir wohnt die Gerechtigkeit.

Wir halten uns bei Dir, in Dir wohnt die Beständigkeit. Wir sehnen uns nach Dir, in Dir wohnt die Vollkommenheit. Du bist, wie Du bist. Schön sind Deine Namen. Halleluja. Amen. Halleluja. Amen.

Wir strecken uns nach dir!
Wir öffnen uns vor dir !
Wir halten uns bei dir!

So verschieden wie wir Menschen sind, so verschieden kann dieses Ausstrecken nach Gott aussehen.

Und im Grundsatz sieht das so aus:

  • dass wir offen sind und offen werden für Impulse Gottes…
  • eine innere Bereitschaft „Rede, Herr, ich bin bereit zu hören“
  • und als Menschen, die wir Glauben und Leben im Glauben als wichtig empfinden wollen wir uns an Gott halten: Festhalten am Bekenntnis der Hoffnung, wie es der Hebräerbrief in der Bibel sagt.

„Ich werde ihnen Gott sein und sie werden mir Volk sein“ ist die Zusage Gottes aus dem Prophetenbuch Jeremia, die wir heute für uns hören dürfen.
Und getrost unsere Hände öffnen für das, was Gott uns schenkt und schenken will
heute und an jedem neuen Tag.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unser Denken bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen

 

 

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