Interview mit Fridolin der Kirchenmaus
Wussten Sie, dass seit ungefähr drei Jahren unsere Johanneskirche einen ständigen Bewohner hat? Die noch junge Kirchenmaus Fridolin hat sich die Johanneskirche ausgesucht als Heimat und fühlt sich in unserer Kirche pudelwohl. Wo er genau seinen Bau hat, verrät er selbst Frau Debatin, die er erkennbar anhimmelt, nicht. Da Fridolin schüchtern ist, zeigt er sich nur selten Erwachsenen, weshalb auch fleißige Kirchgänger ihn wahrscheinlich noch nicht zu Gesicht bekommen haben. Auf gutes Zureden von Frau Debatin, an der Fridolin sehr hängt, war er aber bereit, sich interviewen zu lassen. Ob die Aussicht auf ein leckeres Stück Kuchen oder ähnliches ausschlaggebend war, bleibt Fridolins Geheimnis.
Frage: Wie wird man zur Kirchenmaus? Handelt es sich bei Kirchenmäusen um eine spezielle Gattung?
Fridolin: Kirchenmaus zu sein ist eine Berufung, aber Kirchenmaus ist auch eine Gattung. Die Kirchenmaus hält Kälte gut aus – außerhalb von Gottesdiensten werden Kirchen ja selten geheizt. Auch wenn Kirchenmäuse schüchtern sind, kommen sie damit klar, dass viele Menschen in die Kirche kommen und sich zeitweise dort aufhalten. Bei mir kommt noch hinzu, dass ich eine der wenigen Mäuse bin, die einen Talar tragen.
Frage: Bekommen Kirchenmäuse eine besondere Ausbildung?
Fridolin: Es gibt leider keine Schule für Kirchenmäuse. Ich hätte gern mit anderen Kirchenmäusen gespielt und gelernt. Ich lerne durch Zuschauen und Nachfragen. Ich frage Frau Debatin eine ganze Menge – sie kann so schön erklären!
Frage: Was ist Deine Aufgabe als Kirchenmaus?
Fridolin: Meine Hauptaufgabe besteht darin, mit in den Kindergarten zu gehen und beim Familiengottesdienst zum Abschluss des Kindergartenjahrs mitzuwirken. Frau Debatin hat extra für mich einen Mäusebeutel zum Reisen gemacht. Im Kindergarten rede ich mit den Kindern. Ich versuche, deren Fragen zu beantworten, und erkläre ihnen Sachen, die sie nicht wissen. Vieles habe ich ja erfahren, weil ich Frau Debatin Löcher in den Bauch gefragt habe. Das kann ich weitergeben. Da ich nicht viel älter bin als die Kindergartenkinder, verstehen die mich gut und haben keine Angst zu fragen. Ich finde die Fragen der Kinder gut. Manchmal muss ich richtig nachdenken, um die Fragen beantworten zu können. Manchmal mache ich aber auch bei den Fragen mit.
Im Kindergarten trage ich auch ab und zu meinen Talar. Die Kinder sollen keine Angst vor dem Talar haben. Vielleicht bin ich das einzige Talarmodell auf der Welt! Den Talar trage ich auch, wenn ich im Gottesdienst mitmache.
Frage: Wie bist Du auf die Johanneskirche gekommen?
Fridolin: Ich bin eines Tages zufällig an der Johanneskirche vorbeigelaufen und habe Orgelmusik gehört. Ich bin in die Kirche reingegangen und habe festgestellt, dass sie klein und gemütlich ist. Genauso hatte ich mir meine Kirche vorgestellt. Da niemand in der Kirche wohnte, habe ich mir ein gemütliches Plätzchen für meinen Bau gesucht. Später sagte mir Frau Debatin, dass früher der Rabe Korax in der Kirche gewohnt hatte, aber mit Frau Völlers, mit der er zusammengearbeitet hat, Ketsch verlassen hat.
Frage: Was gefällt Dir besonders in der Kirche?
Fridolin: Am liebsten mag ich die großen Feste, wenn viele Leute in die Kirche kommen und viel los ist. Ich habe dann viel zu schauen. Am allerliebsten mag ich aber Erntedank, denn vor dem Altar werden Gaben aufgebaut und ich kann, wenn niemand da ist, auch mal am Gemüse knabbern.
Frage: Wovon lebst Du, wenn nicht Erntedank ist?
Fridolin: Oh, ich habe so meine Quellen. Vor allem weiß ich, wo Frau Debatin ihren Keksvorrat hat.
Frage: Wenn Du einen Wunsch frei hättest für die Kirche, was würdest Du Dir wünschen?
Fridolin: Ich würde mir wünschen, dass mehr Familiengottesdienste gehalten werden. Ich verpasse von meinem Mäusebau aus keinen Familiengottesdienst und liebe es, die Geschichten zu hören, und freue mich über den Trubel, der dank der Kinder in der Kirche herrscht. Ich lade auch die Vorschulkinder des Johanneskindergartens regelmäßig ein, in die Kirche zu kommen. Ich zeige meine Kirche gern und erklär ihnen zusammen mit Frau Debatin alles.
Frage: Was gefällt Dir, was gefällt Dir nicht in der Johanneskirche?
Fridolin: Mir gefällt es besonders mit den Kindern das Lied „Halleluja - preise den Herrn“ zu singen, da immer eine Gruppe Kinder aufsteht und ich dirigieren kann. Ich mag es, wenn Leben in der Bude ist. Ich gebe aber zu, dass ich auch meine Ruhe mag und die habe ich in der Kirche. Ich kann dann über Gott und die Welt nachdenken. Ich fi nde es auch spannend, wie sich die Kirche verändert. Jetzt haben wir ein kuscheliges Sofa im Vorraum. Auf dem springe ich gerne herum. Ich finde es auch gut, wenn die Konfi rmanden kommen und Sachen an die Wand befestigen. Da habe ich etwas zu lesen und kann darüber nachdenken. Später diskutiere ich mit Frau Debatin darüber. Was ich gar nicht mag ist, wenn die Katze von Herrn Pfarrer Noeske in die Kirche kommt. Da bleibe ich in meinem Mäuseversteck. Katzen darf man einfach nicht trauen, auch wenn es sich um eine Pfarrerskatze handelt.
Frage: Bist Du immer in der Kirche beziehungsweise im Haus der Begegnung?
Fridolin: Abgesehen von meinen Besuchen im Kindergarten bin ich fast immer auf dem Areal der Kirche. Ich muss ja auf die Kirche aufpassen. Allerdings darf ich einmal im Jahr Urlaub bei Frau Birgit Schurich-Glocker machen. Ich bleibe bei ihr, um mit ihr für den Gottesdienst zur Verabschiedung der Vorschulkinder zu proben. Frau Schurich-Glocker sagt, sie freut sich auf meinen Besuch. Ich versuche aber auch, mich richtig gut zu benehmen und nichts anzustellen. Es gibt bei ihr viel zu schauen und gutes Essen.
Frage: Wissen Herr Pfarrer Noeske und der Kirchengemeinderat, dass Du da bist?
Fridolin: Ja, ich habe mich im Kirchengemeinderat vorgestellt, nachdem diesem zu Ohren gekommen war, dass es eine Kirchenmaus gibt. Die Kirchengemeinderäte waren ganz nett, aber mir sind Kinder lieber. Ich beiße gern mal in die Nasen oder Finger der Kinder, aber nicht so arg. Es ist nur zum Spaß. Kinderfi nger schmecken besser als die der Erwachsenen. Ich habe dem Kirchengemeinderat versprochen, auf die Kirche aufzupassen, und das tue ich auch. Ich benehme mich in der Kirche immer anständig, auch wenn niemand da ist. Schließlich bin ich eine Kirchenmaus und weiß, worauf es ankommt. Ich bin gern die Kirchenmaus der Johanneskirche und hoffe, auch in Zukunft viel hier zu erleben.
Fragende: Wenn unsere Leser dein Interview gelesen haben, werden sie bestimmt nicht erschrecken, falls sie Dich mal irgendwo in der Kirche herumhuschen sehen sollten. Ich hoffe, Du bleibst unsere Kirchenmaus. Ich danke für das interessant Gespräch. (bc)